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Nachdem wir vergangenes Jahr das kleine Segelabenteuer nördlich von Berlin auf der Havel gesucht haben, soll es dieses Jahr in südliche Richtung gehen. Wir werden bis Ketzin mit Segel und Elektromotor kommen und eine kleine Woche in wechselnder Besatzung unterwegs sein. Doch bevor es losgeht, muss der Mutter aller Segeltörns gehuldigt werden, der Versorgung mit Proviant. Unsere jüngste Tochter sieht meinen Einkaufszettel auf dem Frühstückstisch und kommentiert: „Na, das sieht ja mehr nach Klassenfahrt von 15-Jährigen aus.“ Eine gewisse Fokussierung auf Bier und Süßigkeiten ist dem Notizzettel nicht abzusprechen. Der Einkauf ist erfolgreich – es kann losgehen.

Bei ordentlich Wind legen wir am 17. Juli am S.V.T.-Steg ab. Es sind Böen bis Windstärke 6 aus West angesagt. Meine beiden Mitsegler, Vetter Eckard und Freund Fietsch, haben keinerlei Segelerfahrung, dafür sind sie beide hochpromoviert und einer mit Professortitel ausgestattet. Das hilft ja meistens. Doch nicht jede Böe hat Respekt vor akademischen Titeln. Eckard als vielbeschäftigter Anwalt muss immer wieder nach unten in die Kajüte ans Telefon, um Mandanten zu beraten. Ab und zu schaut er auf der Unterhavel bei ausgeprägter Schräglage besorgt nach oben. Ich gebe Zeichen, dass der Untergang nicht unmittelbar bevorstehe. 

Abends laufen wir wohlbehalten, hungrig und bester Laune in den Großen Wannsee ein. Wir übernachten beim Restaurant „Seehase“. Das Essen ist gut, die Liegegebühr knackig – dafür gibt es auch keine Dusche und die Toilette soll nachts abgeschlossen werden. Nach Protest wird diese offen gelassen. Fietsch verlässt uns nach dem Essen per S-Bahn, da die gute alte Dufour T6 nur höchstens zwei Erwachsenen einigermaßen erträgliche Lagerstatt bietet. Eckard stößt sich gleich zu Anfang ganz gehörig und schimpft wie ein Bierkutscher – aber das gehört dazu. Nächsten Morgen gibt es Kaffee und Müsli. Wohl gestärkt legen wir den Mast, um an Potsdam unter den vielen Brücken mit E-Motor vorbeizukommen. 
Am zweiten Abend legen wir in dem hübschen Städtchen Werder an. Im Yachthafen Scheunhornweg sind alle ganz „gechillt“. Freundlich wird uns ein sehr guter Platz zugewiesen, Toiletten und Duschen sind 1a, der Übernachtungspreis noch nicht von der Horrorinflation am Wannsee angefallen. Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen von Eckard, der sich sofort um einen Platz für die Tour im nächsten Jahr bewirbt. Meine Frau Brigitte übernimmt. Sie ist mit Segelschein und -erfahrung ausgerüstet. Doch nichts davon wird bei der Elektrofahrt gegen den Wind nach Ketzin eingefordert. Langsam quält sich das Boot voran. Verbrenner haben auch Vorteile…

Nach zwei Nächten auf harter Pritsche überrasche ich Brigitte in Ketzin nach dem Anlegen an der kommunalen Steganlage mit der Bitte, im Hotel übernachten zu dürfen. Erstaunt geht sie darauf ein. Das Hotel „Gutshof Ketzin“ ist eine dicke Empfehlung. Wir genießen das kleine Städtchen, das sich ordentlich herausgeputzt hat. Am nächsten Tag werden wir auf der Rückfahrt nach Werder vom sanften achterlichen Wind verwöhnt. Brigitte sitzt an der Pinne und gibt gelassen drängelnden Motorbooten, die uns an Back- wie Steuerbordseite überholen, Raum. Manchen möchte man die Wiederholung des Sportbootführerscheins empfehlen. 

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Das Wetter ist leicht elegisch, die Landschaft auch und der Wind passt dazu. So kommen wir nach Werder, legen vor der Havelbrücke der A 10 wieder den Mast. Brigitte ist nach wie vor nicht ganz überzeugt von meinen seemännischen Fähigkeiten, unfallfrei die Spargelstange nach unten zu bringen. Aber es klappt einigermaßen. Am Freitagmorgen übernimmt Jörn, der die geballte Fachkraft eines Kassenprüfers der S.V.T. mitbringt. Wie immer verstehen wir uns prächtig auf dem Rückweg Richtung Potsdam. Hinter Caputh legen wir an und besichtigen das Sommerhaus des Segelkollegen Albert Einstein. Nach den Worten von Jörn soll er ein lausiger Segler gewesen sein.

Auf der Tour zum Großen Wannsee ziehen dunkle Wolken auf. Noch gerade rechtzeitig landen wir beim „Zeuthener Segler Verein“ an. Mögen wir alle Gäste bei der S.V.T. so freundlich begrüßen, wie der Jugendwart Leif uns empfängt! Großzügig überlässt er uns das ganze Clubheim mit Schlüssel, Küche und sanitären Anlagen. Wir fühlen uns sehr wohlaufgehoben. Vor allen Dingen, während es draußen blitzt und donnert. Das gibt sich und wir beehren den Seehasen wieder. Obwohl ein anderes Tier in diesen Tagen die öffentliche Diskussion beherrscht: Der Sommerloch-Löwe ist los und zwar genau in dem Gebiet, in dem wir uns gerade aufhalten. Dankbar nehmen wir das klärende Hinweisschild zum steinernen Flensburger Löwen zur Kenntnis: „Hier entlang Richtung Löwe“. 

Die Rückfahrt bei schönem halbem Wind nach Tegel ist herrlich. Bleibt noch nachzutragen, dass wir am vorletzten Tag, nun ja, etwas aus der Routine geraten. Da wir uns hier in der geschlossenen Vereinskommunikation bewegen, wollen wir das Missgeschick fern des ausgewiesenen Fahrwassers nicht verschweigen. Der Klappkiel klappt hoch, das Ruder setzt auf. Es bleibt nur der entschlossene Einsatz in Badehose. Die fiese Sandbank ist schnell weggeschoben. Das geht bei dem hinterherfahrenden Hausboot nicht so leicht. Wie kann man auch nur so leichtsinnig sein, uns zu folgen! Es waren tolle Tage. Wir sind einfach gesegnet mit einer wunderbaren Wasserlandschaft, die es immer wieder verdient, neu entdeckt zu werden.

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